Professur für Urban Design

Technische Universität München

Vision der Professur Urban Design, 2024

Seit ihrer Begründung 1908 durch Theodor Fischer ist die Städtebaulehre an der TU München immer eng mit der Vorstellung verbunden gewesen, dass die Prinzipien von Fortschritt, Wachstum, Ordnung und Vernunft zu einer besseren gebauten Umwelt führen. Momentan erleben wir das Scheitern des entsprechenden Systems in Form der Polykrise, die einen sukzessiven Verlust unserer Lebensgrundlagen zur Folge hat. Die Erkenntnis, dass unsere gegenwärtige Lebensweise sich nicht einfach mit technischen Innovationen oder einem „grünen Wachstum“ fortführen lässt, sondern sich grundlegend ändern muss, gibt uns die schwierige Aufgabe, dieses Fortschrittsdenken und damit auch die Disziplin des Städtebaus zu überdenken: Eine Herausforderung, die uns jeden Tag aufs Neue packt. 

Wie können wir Entwicklung und Fortschritt ohne Zerstörung denken? Wie kommen wir zu positiven Handlungsweisen in Bezug auf unsere Umwelt (zurück)? Wie können wir so planen, dass den Bedürfnissen aller Lebewesen unserer Biosphäre entsprochen wird? Wissen zur Transformation ist genug vorhanden: Umstellungen wie die Priorisierung des öffentlichen und des Fahrradverkehrs, eine ökologische Nahrungsproduktion, ein engeres und wesentlich mehr auf Biodiversität basierendes Zusammenspiel von Landschaft und Stadt, das gemeinsame Nutzen von Gütern und Gebäuden, das Bauen im Bestand oder das Arbeiten nach den Prämissen Suffizienz, Umbau, Wiederherstellung, Revitalisierung, Umwidmung. Allerdings gelingt die Umsetzung dieses Wissens häufig nur punktuell statt strukturell und damit nicht in ausreichendem Maße, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. 

Im Zentrum unserer Expertise und Tätigkeit stehen fünf verschiedene, große Transformationsthemen, die eng mit der gebauten Umwelt verknüpft sind: Gemeinschaft, Mobilität, Rahmenbedingungen, Diskurs und schließlich auch die Techniken und Werkzeuge des Städtebaus als räumlich-gestalterischer Disziplin. „Stadt“ steht dabei für die gebaute Umwelt, insbesondere, aber nicht ausschließlich im urbanen Umfeld. 

  • Stadt und Gemeinschaft: Die Transformation hin zu einem generationengerechteren, egalitäreren und sozial verträglicheren Zusammenleben. 
  • Stadt und Mobilität: Die Transformation zu einer gesunderen, gleichberechtigteren, ressourcenschonenderen und bedarfsgerechteren Fortbewegung. 
  • Rahmenbedingungen von Städten: Die Transformation zu einer nachhaltigen Art und Weise, wie die alltägliche gebaute Umwelt (um)gebaut und genutzt wird. 
  • Stadt in Austausch und Debatte: Die Transformation hin zu einem interdisziplinären, egalitären Diskurs über die Stadt. 
  • Techniken und Werkzeuge des Städtebaus: Die Veränderung der Art und Weise, wie Städtebau verstanden und praktiziert wird. 

Wir benennen Möglichkeiten und Herausforderungen, erarbeiten Wissen und zeigen realistisch und optimistisch Wege auf, wie unsere Städte entlang dieser Transformationsthemen auf nachhaltige können. So gestalten wir die Stadt der Zukunft als Bild, als Beschreibung, als Wissenssammlung, aber auch 1:1 in Reallaboren, und stellen damit das Material bereit, das nötig ist, um die fünf Transformationsthemen voranzubringen. Hierzu Zusammenschlüssen und suchen für unsere Projekte nach möglichst großen Hebeln. 

In der Lehre, aber auch in der Forschung und im universitären Alltag, arbeiten wir nach diesen Grundsätzen:  

  • Wir fordern und fördern Eigeninitiative, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und transdisziplinäres Denken. 
  • Wir fördern den Fokus auf die Entwicklung der eigenen Stärken und Talente aller Mitglieder der Universität. 
  • Wir hinterfragen und entwickeln unsere Lehrmethoden kontinuierlich weiter. 
  • Wir fördern aktiv Debatten zu Themen wie Inklusion, Feminismus, und Diversität. 
  • Eine grundlegende Transformation unserer Städte, wie wir sie für nötig halten, erfordert konstanten Austausch mit der Stadtgemeinschaft und das Aushalten der Meinungen Anderer. Im Sinne einer offenen universitären Diskussionskultur legen wir dafür als Rahmen die Verfassung und Menschenrechte sowie klar belegte wissenschaftliche Phänomene wie die Existenz des Klimanotstands an. In diesem Rahmen ist für uns nicht entscheidend, wer spricht, sondern welche Aussagen getroffen werden. 
  • Leitung bedeutet für uns andere auf Augenhöhe zu fördern, Entscheidungen zu erleichtern, Prioritäten zu setzen, und Überforderung zu vermeiden. 
  • Wir bekennen uns zu regenerativen Prinzipien und schonen Ressourcen. 
  • Wir lehren und fördern kooperative Ideen und Prinzipien der Mitbenutzung. 

Diese Prinzipien werden laufend hinterfragt, erweitert und verändert.